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Dr. Friedrich-Joseph Haass, der "heilige Doktor von Moskau" 

* 10.08.1780 in Münstereifel      + 16.08.1853 in Moskau


"Sein Name steht in einer Reihe mit den Namen von Albert Schweitzer, mit den Namen von Ärzten, die Helden und Opfer einer dramatischen Medizin gewesen sind. Er hat keine wissenschaftliche Theorie begründet und ist nicht berühmt geworden durch die Entdeckung einer neuen Krankheit; er war ganz einfach nur ein Gefängnisarzt." So beginnt ein Artikel, mit dem die Moskauer Prawda am 27.09.1978 das Leben und Wirken von Dr. Friedrich Joseph Haass anläßlich seines 125. Todestages würdigte.

Friedrich Joseph Haass wurde am 10. August 1780 als Sohn eines Apothekers in Münstereifel geboren. Das Geburtshaus in der Johannisstraße, versehen mit einer Gedenkplakette, steht heute noch. Seine medizinische Ausbildung erhielt Haass in Köln und Jena, promovierte 1805 in Göttingen zum Dr. med. und absolvierte anschließend in Wien eine Ausbildung zum Facharzt für Augenheilkunde.

Auf den Rat einer seiner Patientinnen, der russischen Fürstin Repnin, ging er 1806 nach Moskau, eröffnete dort eine Praxis und wurde schnell einer der berühmtesten und geachtetsten Ärzte Moskaus. Die Zarin ernannte ihn 1807 zum Chefarzt des Pauls-Krankenhauses, im Jahr darauf verlieh man ihm die Würde eines "Ritter des Ordens des hl. Vladimir". Wegen seiner Verdienste um die Erschließung der Kaukasus- Heilquellen wurde Haass im Jahre 1811 zum Kaiserlichen Hofrat ernannt.

Der entscheidende Augenblick in seinem Leben war im Jahre 1828, als er Mitglied im Moskauer Gefängniskommitee wurde und dazu berufen war, das Los der Gefangenen und Verbannten zu erleichtern. In dem Kommitee wurde Haass zum Chefarzt der Gefängniskrankenhäuser ernannt. 
In diesen Jahren liefen durch das Moskauer Gefängnis für Verbannte auf den Sperlingsbergen die Verurteilten aus 27 Gouvernements. Ihre Zahl erreichte 6.000 bis 8.000 im Jahr. Die Lage der Gefangenen war schrecklich: Sie mußten zu Fuß Tausende von Kilometern zu ihrem Verbannungsort zurücklegen. Immer gleich mehrere Menschen waren mit einer Kette verbunden und an einen Prut (Eisenstab) geschmiedet. Schwache und Kranke mußten dadurch den Widerstandsfähigeren folgen. 

Unermüdlich war Haass tätig für Erleichterungen im Leben der Gefangenen, ungezählt seine Bittgesuche, seine Vorschläge an das Kommitee und an den Moskauer Generalgouverneur; er ging sogar bis zum Zaren. 
Haass gelang es, den "Prut" abzuschaffen. 
Bald auch erreichte er es, die schweren Eisenfesseln durch leichtere zu ersetzen, die innen mit Leder ausgelegt waren, so daß sie nicht mehr länger die Füße bis auf das Blut durchscheuern konnten. Die Fesseln tragen den Namen von Haass, die "Haass'schen Fesseln". 

Dr. Friedrich Joseph Haass starb am 16. August 1853 in Moskau, verarmt, müde und erschöpft vom Kampf gegen die Bürokratie, die Trägheit und Grausamkeit der Behörden. Zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Vvedensker Friedhof, dem Deutschen Friedhof, begleiteten ihn ungefähr 20.000 Menschen. Auf der Umzäunung seines Grabes hängen gesprengte Fesseln, der Stein unter dem Grabkreuz trägt seinen Leitsatz als Aufschrift: "Beeilt Euch, Gutes zu tun". Die hauptsächliche Wirkungsstätte von Haass, das Deportationsgefängnis, befand sich auf den Sperlingsbergen, später in „Leninhügel" umbenannt, und zwar an der Stelle, an der sich heute die berühmte Lomonossov-Universität befindet. 

Der berühmte russische Jurist A. F. Koni schrieb ein ausgezeichnetes Buch über ihn. 

Von dem Bad Münstereifeler Gymnasialpfarrer und Schriftsteller Dr. Anton Hamm wurde 1979 eine erste, viel beachtete Biografie herausgegeben. 
Eine zweite, überarbeitete Auflage erschien im Jahre 1983; Mitautor war der Diplom-Übersetzer für russisch Gerd Teschke. 

Lew Kopelew veröffentlichte 1984 die Lebensgeschichte von Dr. Haass in seinem Roman "Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch - Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass - Münstereifel 1780 - Moskau 1853". 

Bad Münstereifel ehrte seinen großen Sohn anlässlich der Wiederkehr seines 200. Geburtstages im Jahre 1980 mit zahlreichen Veranstaltungen. 
Die Deutsche Bundespost gab aus diesem Anlass ein Sonderpostwertzeichen heraus. 

In Bad Münstereifel wird die Erinnerung an Dr. Haass mehrfach wachgehalten: 
- durch eine Plakette an seinem Geburtshaus in der Johannisstraße/Ecke Werther Straße 
- durch die nach ihm benannte "Friedrich-Haass-Gemeinschaftshauptschule", 
- durch die nach ihm benannte "Dr. Friedrich-Haass-Straße", 
- durch ein Haass-Denkmal und eine Haass-Ausstellung im Rathaus Marktstraße 15. 

Die Deutschen haben auch in dem Land, in dem Haass gewirkt hat, seiner gedacht: 
Die "Deutsche Schule in Moskau" trägt seit 27. Mai 1989 den Namen "Deutsche Schule Moskau - Friedrich Joseph Haass".

Nach jahrelangen Bemühungen des früheren Stadtdirektors Armin Ahrendt konnte die Stadt Bad Münstereifel am 27. Juni 1986 im Festsaal der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR in Moskau im Rahmen einer Feierstunde einen Gipsabguß der vor dem ehemaligen Haass-Krankenhaus befindlichen Haass-Büste in Empfang nehmen. 
Dank großzügiger Spenden aus der Bevölkerung war es möglich, von diesem Gipsabguß eine witterungsbeständige Bronzebüste herzustellen. 
Diese Bronzebüste war Mittelpunkt einer Haass-Daueraus-
stellung im historischen Karmelitessenkloster, dem jetzigen Rathaus Marktstraße 15, und zwar im Eingangsbereich des Erdgeschosses. 
Die Büste hat seit 28.09.1995 ihren endgültigen Standort im Innenhof (Haass-Hof) dieses historischen Gebäudes erhalten, der für Bürger und Gäste des Kneipp-Heilbades zugänglich ist. 
Der Sockel aus Eifelbasalt ist von dem Bildhauer Helmut Moos aus Bensberg-Lustheide geschaffen worden. 
Den Sockel ziert ein Auszug aus dem Brief der Elisavetha Drachusova an die Schwester von Dr. Haass, Wilhelmine, in Köln anläßlich des Todes von Dr. Haass. 

Am 27.9.2000 wurde im „Haass-Hof“, gegenüber der Haass-Büste, zum Andenken an Lew Kopelew eine Plakette mit seinem Bildnis in Bronze, umrahmt von 2 Bronze-Texttafeln, enthüllt. Folgender Text steht auf den Bronzetafeln: 

Text auf der linken Tafel: Lew Kopelew, geboren am 9.4.1912 in Kiew und aufgewachsen in Moskau, wo er Germanistik studierte. Während des Krieges war er Major einer Propaganda-Einheit und erlebte den Einmarsch russischer Truppen in Ostpreußen. 1945 wurde er wegen „Mitleid mit dem Feind“ verhaftet und zu 10 Jahren Straflager verurteilt. Nach seiner Rehabilitierung lehrte er in Moskau deutsche Literatur und Theaterwissenschaft. Er starb nach erneuter Erschwerung seiner Arbeit im Heimatland am 18.6.1997 in Köln. Als Kind lernte er das Leben von Dr. Friedrich-Joseph Haass kennen, der auf Grund seines Wirkens in Moskau der „Heilige Doktor“ genannt wird. Die eigene Lagerhaft eröffnete Lew Kopelew die Größe und menschliche Güte dieses Mannes, der auf persönlichen Ruhm und Reichtum zugunsten der armen Gefangenen verzichtete. 1976 begann Kopelew sein Buch „Der heilige Doktor Fjodor Petrowitsch“ zu schreiben und vollendete es 1982 in Bad Münstereifel, wo er sich nach seiner erzwungenen Ausbürgerung aus der Sowjetunion sehr häufig als Gast aufhielt. 

Text auf der rechten Tafel: „Dem ungeheuerlichen Aberwitz, den selbstmörderischen Kräften zum Trotz, die heute einen bedeutenden Teil der Welt beherrschen, hoffe ich, daß im kommenden Jahrhundert alle Menschen auf der Erde besser und vernünftiger leben werden, als wir und unsere Vorfahren gelebt haben. In dieser Hoffnung besteht der Hauptsinn meines Lebens. Er wird nicht von irrationalen, religiösen und nicht von scheinrationalen gelehrten Quellen gespeist. Er wächst aus dem schlichten Glauben an den Menschen. Der Mensch ist grausam und mildherzig, einfältig und weise, gemein und edel. Er zerstört und baut auf, er bezweifelt und hofft, geht unter und wird gerettet.“ (Lew Kopelew „Und schuf mir einen Götzen; Lehrjahre eines Kommunisten“ 1996)

Auswahl aus Werken der Literatur, die über Dr. Haass erschienen sind 

Harder, Hans "Der deutsche Doktor von Moskau", der Lebensroman des Dr. Friedrich Joseph Haass, 4. Auflage, Verlag von F. J. Steinkopf in Stuttgart, 1942 

Koni, Anatolij Fedor "Dr. Friedrich Haass, Lebensskizze eines deutschen Philanthropen in Rußland" in "Geschichte des russischen Gefängniswesens im 19. Jahrhundert", Verlag Duncker & Humblot, Leipzig 1899 

Passon-Darge, Margarete "Friedrich Joseph Haass, Bildnis eines Christen", Verlag J. P. Peter, Gebrüder Holstein, Rothenburg ob der Tauber 1951 

Hamm, Dr. Anton "Dr. med. Friedrich Joseph Haass aus Münstereifel - Der Heilige Doktor von Moskau - Der Mensch Sein Leben Sein Werk", 1979 Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn­Bad Godesberg 

Hamm, Dr. Anton, und Teschke, Gerd "Ein deutscher Arzt als 'Heiliger' in Moskau", 1983 Westkreuz­-Verlag Berlin/ Bonn-Bad Godesberg 

Kopelew, Lew "Der Heilige Doktor Fjodor Petrowitsch - Die Geschichte des Friedrich Joseph Haass – Bad Münstereifel 1780 - Moskau 1853", 1984 Hoffmann & Campe-Verlag, Hamburg 

 

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